Spannende Zeiten fürs Autogewerbe

Herausforderungen

Spannende Zeiten fürs Autogewerbe

Von Martin Sollberger, Präsident AGVS (Auto Gewerbe Verband Schweiz), Sektion Aargau

 
Die aktuellen Herausforderungen der Autogaragen sind vielfältig. Doch nach zwei herausfordernden Jahren haben die Garagisten gelernt, auch mit den neuen Herausforderungen umzugehen und sich laufend an neue Gegebenheiten anzupassen.
Infolge Corona-Krise mussten die Ausstellungsräume bekanntlich für längere Zeit schliessen und der Auto-Verkauf in den Jahren 2020 und 2021 brach drastisch ein. Mit verhaltenem Optimismus blickte die Branche dann aufs Jahr 2022 und erhoffte sich eine Verbesserung an der Verkaufsfront. Doch wie wir alle wissen, machte uns der russische Präsident einen dicken Strich durch die Rechnung. Seine Invasion in die Ukraine hat bis zum heutigen Tag weitreichende negative Folgen für die Autobranche.

Lieferengpässe
Bereits die heiss begehrten, aber fehlenden Chips für die elektronischen Teile führten zu grossen Produktions- und Lieferverzögerungen. Und als ob dies nicht schon schwierig genug wäre: Mit den Kabelbäumen, die in der Ukraine produziert werden, fehlen bis auf Weiteres elementare Bestandteile für die Autoproduktion. Erschwerend kamen Logistikengpässe aufgrund mangelnder Transportkapazitäten dazu. Die fehlenden Chips und Kabelbäume sind bis heute für die Lieferengpässe verantwortlich.

Auch im Verkauf sind die Lieferengpässe weiterhin spürbar: Gegenüber den bereits schwachen Verkaufszahlen 2021 brachen die Zahlen nochmals weiter ein: Per Ende August beträgt das Minus satte 11,7%. Das sind 20'000 Autos, die im Verkauf fehlen. Eine Besserung ist kaum in Sicht. Das ist umso bitterer, als die Verkäufer bis Ende August grundsätzlich ein Kaufinteresse der Kundinnen und Kunden feststellten. Aber wenn die Autos fehlen, können sie auch nicht verkauft werden.

Elektrofahrzeuge im Trend
Es gibt allerdings eine Zahl, die positiv ist, nämlich der Verkauf von rein elektrischen Fahrzeugen: Gegenüber dem Vorjahr wurden bis Ende August 2022 35% mehr Elektrofahrzeuge verkauft. Ob dieser Trend weitergeht in Anbetracht der drohenden Energiekrise mit gestiegenen Stromkosten? Die Zukunft wird diese Frage beantworten, genauso wie die Frage, ob der weiter anhaltende Krieg und die Inflation die Kauflust noch stärker dämpfen werden.

Occasionsmarkt
Die Autobranche zeichnet sich seit jeher durch ihre Innovationen aus. So ist es auch nicht weiter überraschend, dass die Garagen neue Wege suchen, um entfallene Umsätze zu kompensieren. Eine Möglichkeit ist der Ausbau des Handels mit qualitativ hochwertigen Occasionen. Diese Fahrzeuge stehen zurzeit hoch im Kurs. Gerade neuere und gut ausgestattete Occasionen sind von den Kunden als Alternative zu Neuwagen heiss begehrt. Doch ein Blick auf die Occasionsplätze zeigt: Auf vielen Plätzen stehen nur noch wenige Gebrauchtwagen.

Einfluss der neuen Antriebstechnologien
Während Jahren waren Benzin- und Dieselantriebe der unbestrittene Standard. Mit dem Aufkommen von Gas-, Elektro- und Wasserstoffantrieben hat sich dies jedoch stark gewandelt. Die Garagen müssen ihre Infrastruktur und Geräte in der Werkstatt anpassen, Elektroladestationen anbieten und ihre Mitarbeitenden schulen. Dies wird von den Importeuren gefordert, damit die Elektrofahrzeuge einwandfrei gewartet werden können.

Bildung
Für uns als Verband hat die Elektromobilität ebenfalls Auswirkungen, denn die Aus- und Weiterbildung ist ein Dauerthema für den AGVS. Unsere Mitglieder sind zwingend auf bestens ausgebildete Nachwuchskräfte angewiesen. Seit einigen Monaten stehen im AGVS-ÜK-Center in Lenzburg mehrere Elektro-Volvos, an denen wir die Lernenden in allen Bereichen der Elektromobilität ausbilden. Zudem haben sich unsere Kursleiter zielgerichtet weitergebildet und unsere Lehrmittel wurden auf den neusten Stand gebracht.

Um die Popularität unserer Berufe zu fördern, öffnete das AGVS-Kurscenter die Türen der ÜK-Werkstatt am Samstag, 17. September 2022, im Rahmen des «Tages der Berufe». Erfreulicherweise durften wir viele Interessenten begrüssen.

Blick in die Zukunft
Die steigende Zahl an Elektrofahrzeugen wird einen Rückgang bei der herkömmlichen Werkstattarbeit (z.B. Ölwechsel, Auspuffersatz, Arbeiten am Motor sowie Filter- und Zündkerzenwechsel) zur Folge haben. Das hat auch negative Auswirkungen auf den Umsatz beim Verkauf von Verbrauchsmaterialien wie Öl, Kerzen, Filter usw.

Was auch bei Elektrofahrzeugen bleibt, sind Arbeiten an den tragenden Fahrzeugteilen wie Bremsen, Achsen, Kugelgelenken usw. Dafür werden die Arbeiten bei der Elektronik umso stärker zunehmen. Dazu zählen z.B. die Kapazitätsmessung, der Austausch der Batterien sowie Arbeiten an elektronischen Komponenten.

Dieser Wechsel wird nicht von heute auf morgen erfolgen, denn die Gesamtzahl der Elektrofahrzeuge ist immer noch relativ bescheiden. Und trotzdem: Jeder Garagist muss die Augen offenhalten und nach Alternativen und neuen Einnahmequellen suchen, denn namhafte Hersteller werden nur noch bis 2030 benzin- und dieselbetriebene Autos produzieren.

Auto Ausstellungen
Die erneute Absage des Auto Salons in Genf im nächsten Jahr lässt vermuten, Auto Ausstellungen seien nicht mehr zeitgemäss. Die Erfahrungen mit den AGVS Auto Ausstellungen im Aargau zeigen jedoch: Mehrmarkenausstellungen «vor Ort», nahe beim Kunden, sind weiterhin gefragt. In diesem Jahr war das Interesse der Aussteller und der Kunden bei der Ausstellung aarauWEST sehr hoch. In Wohlen und Wettingen besteht noch Optimierungspotenzial, da diese Events zum ersten Mal stattfanden. Mit unserem Konzept erfüllen wir die Strategie der Hersteller und Importeure, lokale Events durchzuführen. Zudem schätzen die Besucherinnen und Besucher den direkten Kontakt mit ihrem Garagisten im Rahmen unserer Auto Ausstellungen.

Vorschau Ausstellungen in Stein und Suhr
Vom 21. bis 23. Oktober 2022 führen wir in Stein (Fricktal) die vierte AGVS Auto Ausstellung in diesem Jahr durch. Zu sehen sind rund 100 Neuwagen von 21 Automarken und 20 Garagen.

Aktuell arbeitet der AGVS bereits an den Vorbereitungen für die AGVS Auto Ausstellung Suhr (vom 10. bis 12. März 2023 in der Bärenmatte). Bei dieser Ausstellung gehen wir erneut neue Wege: Erstmals werden keine Autos mit Diesel- und Benzinantrieb mehr ausgestellt.  Zu sehen sind ausschliesslich Fahrzeuge mit alternativen Antrieben (rein elektrisch, Plug-in-Hybrid, Gas oder Wasserstoff).

Verbandsleben
An unseren monatlichen Vorstandssitzungen besprechen wir die aktuellen Geschäfte und Herausforderungen unserer Mitglieder. Dazu zählen vor allem die Themen Aus- und Weiterbildung, unsere Testcenter in Zofingen und Kleindöttingen sowie Zusammenarbeit mit anderen Organisationen.

Die Autobranche sieht sich mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Trotzdem bin ich der Überzeugung, dass sich unsere Mitglieder auch weiterhin dank gut ausgebildeten Mitarbeitenden, Fleiss, Know-how, Innovationen und starken Kundenbeziehungen nicht aus dem Gleichgewicht bringen lassen.

Martin Sollberger
Präsident AGVS, Sektion Aargau

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