Roundtablegespräch: «Die Dienstleistung des Garagisten wird immer mehr zum Differenzierungsmerkmal»

Roundtablegespräch: «Die Dienstleistung des Garagisten wird immer mehr zum Differenzierungsmerkmal»

30. Dezember 2015 agvs-upsa.ch - Für das erste AUTOINSIDE des Jahres 2016 haben sich AGVS-Zentralpräsident Urs Wernli und seine beiden Vizes Pierre Daniel Senn und Manfred Wellauer an einen Tisch gesetzt, auf das vergangene Jahr zurückgeblickt und einen Blick in die Zukunft gewagt. Hier ein Auszug.

Wir haben die AGVS-Kundenberater gebeten, uns die häufigsten Sorgen der Mitglieder zu nennen, die sie bei ihren Besuchen zu hören bekommen. Oben auf der Liste stehen der zunehmende Druck der Importeure zur Zielerreichung, der Zwang zur Einhaltung von strengen Standards und ein zunehmender administrativer Aufwand. Was kann der Verband hier konkret tun?
Pierre Daniel Senn: Das ist im Grunde genommen wie beim Wetter: Es gibt gewisse Dinge, die Sie nicht ändern können. Wir können vom Verband aus das Wetter nicht ändern, aber wir können unsere Mitglieder frühzeitig darauf hinweisen, wann sie einen Regenschirm einpacken sollen. Wo wir können, stellen wir auch Regenschirme her und sorgen dafür, dass sie bei unseren Mitgliedern sind, bevor es zu regnen beginnt.
Manfred Wellauer: Aktiver können wir unsere Mitglieder aber bei anderen Herausforderungen unterstützen. Bei der Aus- und Weiterbildung, zum Beispiel, oder dort, wo es darum geht, die Abwanderung von Fachkräften in andere Branchen zu verhindern. Es hilft dem AGVS-Mitglied nämlich nichts, wenn er die Arbeit und eine tolle Infrastruktur hat und den Druck des Importeurs oder die ausufernde Administration irgendwie hinkriegt, aber niemanden in der Werkstatt hat, der die Arbeit fachkundig ausführen kann.

Die rückläufigen Profite im Neuwagen- und Occasionsgeschäft müssten mit dem Werkstattgeschäft ausgeglichen werden können…
Manfred Wellauer: Richtig. Gleichzeitig liegt hier aber eine tiefergehende Problematik: Uns beschäftigt zunehmend, dass Fahrzeuge der Segmente zwei und drei immer öfter in markenfreie Betriebe abwandern. Ein Beispiel: Ein vierjähriger Golf, der bei uns im Rahmen eines Neufahrzeugkaufs eingetauscht wird, den vermarkten wir noch einmal, wobei schon da fraglich ist, ob der Kunde damit noch zu uns in die Garage kommt. Das Eintauschfahrzeug auf dieses vierjährige Fahrzeug ist ja dann schon entsprechend älter. Und das sehen wir mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr in der eigenen Werkstatt. Genau dort aber liegt erhebliches Potenzial für Werkstattauslastung und Ersatzteileverkauf.
Urs Wernli: Manfred spricht hier einen wichtigen Punkt an: Die Bindung zum Markenvertreter beginnt sich oft am Ende der Garantiezeit zu lösen, normalerweise also nach vier Jahren. Es sollte dem Markenvertreter deshalb gelingen, die Kundenbindung über die Garantiedauer hinaus zu verlängern und den Kunden weiterhin zu behalten. Sonst besteht die Möglichkeit, dass der Kunde zu einer - nach seiner Auffassung - günstigeren Werkstatt wechselt. Hier braucht es eine Imagekorrektur des Markenbetriebs.

Es gibt keine Anreize, die Käufer der Fahrzeuge als Kunden für die Werkstatt zu gewinnen?
Manfred Wellauer: Höchstens in Form eines Gutscheins für den nächsten Service oder den Reifenwechsel. Das wird aber sehr selten gemacht, weil es auch nicht sehr praktikabel ist. Heute fährt niemand eine Stunde in den Service, selbst wenn er darauf einen Rabatt in Form eines Gutscheins bekommt.
Pierre Daniel Senn: Wenn Sie einen Neuwagen oder eine Occasion kaufen, wählen Sie eine Garage, weil Ihnen dort der beste Preis angeboten wird oder weil Ihnen das Fahrzeug gefällt. Dafür sind Sie unter Umständen bereit, eine Stunde oder mehr zu fahren. Für die Reparatur des Fahrzeugs sind sie das aber nicht mehr – dann wollen Sie einen Betrieb, der in Ihrer Nähe ist, idealerweise sogar in Ihrem Dorf.
 

Diese Rechnung geht nur auf, solange wir in der Schweiz sehr engmaschige Vertriebsstrukturen haben. Heute findet man aber immer weniger Dorfbäcker und Dorfmetzger. Steht das Autogewerbe vor einer ähnlichen Strukturbereinigung?
Urs Wernli: Für den Handel möglicherweise, nicht aber für die Werkstatt. Wobei der Begriff Strukturbereinigung in diesem Zusammenhang sicher übertrieben ist. Aber bedingt durch die Tatsache, dass die Margen im Fahrzeugverkauf sehr gering sind, beobachten wir tatsächlich zwei Tendenzen: Die eine geht hin zu Mehrmarkenbetrieben, die andere zu Werkstattbetrieben ohne offiziellen Markenverkauf. Und das ist nicht so, weil das der Garagist will, sondern weil er von den Herstellern durch deren Preispolitik faktisch dorthin bewegt wird.

Im Zuge der Aufhebung der Euro-Untergrenze wurden in der Schweiz Milliarden vernichtet, namentlich bei Lagerfahrzeugen und Occasionen. Wer hat am Schluss den Schaden getragen?
Manfred Wellauer: Alle. Hersteller und Importeure, weil ihre Fahrzeuge tiefer eingepreist werden. Die Händler, die Neufahrzeuge an Lager und schon bezahlt hatten und deren gesamter Occasionsbestand quasi „über Nacht“ deutlich an Wert verloren hat. Und schliesslich der Konsument, der für seinen Eintauschwagen weniger bekommt, denn wenn der Neuwagen – und der Occasionspreis sinkt, sinkt auch der Preis des Eintauschfahrzeugs.

Was für Erwartungen haben Sie an das im Herbst neu gewählte Parlament und den jetzt wieder in der alten Zusammensetzung gewählten Bundesrat in Bezug auf die Wirtschafts-, Energie- und Umweltpolitik?
Urs Wernli: Das neue Parlament ist deutlich bürgerlicher zusammengesetzt. Und bürgerliche Politiker sind in der Regel ausgewogener in der Beurteilung von für uns wichtigen Dossiers. Konkret: Ich gehe nicht davon aus, dass die Energiestrategie so weitergeführt wird, wie vom alten Parlament geplant; diese wird etwas eingebremst. Das gilt auch für Themen wie beispielsweise eine Energiesteuer. Bei den CO2-Richtlinien hingegen glaube ich nicht, dass wir noch viel bewegen können, weil das primär EU-Politik ist. Das neue Parlament kommt allerdings dann zum Zug, wenn es um die Umsetzung geht. Und da erhoffen wir uns von einem bürgerlich dominierten Parlament vernünftige, umsetzbare und wirtschaftsfreundliche Ansätze.

Das ganze Gespräch lesen Sie im AUTOINSIDE 1/2016, welches am 4. Januar in Ihrem Briefkasten liegt.


 

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