Benziner gleichen Diesel-Knick aus – nicht alternative Antriebe

Diesel-Reporting

Benziner gleichen Diesel-Knick aus – nicht alternative Antriebe

16. August 2018 agvs-upsa.ch – Der Anteil an Benzinern bei den Neufahrzeugen steigt seit einem halben Jahr stark an, während sich der Diesel langsam zurückmeldet, allerdings auf deutlich tieferem Niveau als 2017. Nach Einschätzungen von Auto-i-dat dürfte das Gröbste überstanden sein – eine Entwarnung mag die Datenspezialistin aber (noch) nicht geben. 



kro. Rückblick: Im Dezember 2015 lag der Dieselanteil bei den Neufahrzeugen in der Schweiz bei 42,4 Prozent, zusammen mit dem Anteil an benzinbetriebenen Fahrzeugen kam der Verbrennungsmotor auf einen Marktanteil von 95,3 Prozent. Zweieinhalb Jahre später, nach Manipulationsvorwürfen, Eingeständnissen und unzähligen, sehr häufig undifferenzierten Schlagzeilen in den Medien, sieht das Verhältnis per Mitte 2018 stark anders aus: Der Anteil an Dieselfahrzeugen liegt bei 29,9, jener der Benziner bei 63,6 Prozent, zusammen kommen sie auf 93,5 Prozent. Die grössten Einbrüche bei den Diesel-Verkaufszahlen stellt die Auto-i-dat AG bei den Kleinwagen (– 45,3 %) und der Luxusklasse (– 43,3 %) fest.

Rückgang um 20 Prozent gegenüber 2017
Daraus ergeben sich mindestens zwei Erkenntnisse. Erstens: Der Diesel schwächelt nach wie vor – alleine in den ersten sechs Monaten 2018 wurden knapp 20 Prozent weniger Dieselfahrzeuge zugelassen als in derselben Periode des Vorjahres. Zweitens: Der Rückgang des Diesels wird nicht primär durch alternative Antriebe kompensiert, sondern durch den Benziner. Der Anteil alternativer Antriebe (Hybrid, Gas, Elektro) bei den Neuzulassungen hat sich – trotz Druck seitens Politik und Medien – nur um 1,8 Prozentpunkte auf 6,5 Prozent erhöht. Faktisch ist das nach wie vor vernachlässigbar – sowohl was die Zunahme an sich betrifft, als auch bezogen auf den effektiven Marktanteil.

René Mitteregger, Datenspezialist bei der Auto-i-dat AG, der Marktführerin für Fahrzeugdaten in der Schweiz, führt diese Entwicklung auf verschiedene Ursachen zurück: «Viele Hersteller fahren ihr Dieselangebot stark zurück, einige liefern zurzeit gar keine Fahrzeuge mit Dieselantrieb aus. Und die Händler verkaufen lieber Benziner wegen vermeintlich besserer Restwertprognosen.» Ausserdem, so Mitteregger, würde sich die negative Berichterstattung in den Medien nur langsam abschwächen.

Die gute Nachricht: Occasionen verkaufen sich
Doch dann die gute Nachricht für den Handel: «Im Gebrauchtwagenmarkt erholt sich der Diesel spürbar. Viele Dieselfahrzeuge, die eine gewisse Zeit keinen Käufer fanden, werden nun verkauft.» René Mitteregger: «Seit April legt der Diesel wieder deutlich zu.» In Zahlen ausgedrückt: Von Januar bis und mit Juni 2018 fanden gegenüber derselben Periode des Vorjahres knapp 6 Prozent mehr Dieselfahrzeuge einen neuen Besitzer. Der Marktanteil der Dieselfahrzeuge im Gebrauchtwagenmarkt hat sich von seinem Tiefpunkt im April 2015, als er bei 25,4 Prozent lag, auf über 30 Prozent per Ende Juni 2018 erhöht (30,9 %). Und wie bei den Neufahrzeugen spielen die alternativen Antriebe mit 2 Prozent auch im Occasionsmarkt keine entscheidende Rolle.

Die Aussichten auf die nächsten Monate sind laut Auto-i-dat gut. «Der gebrauchte Diesel ist gefragt, diese Entwicklung dürfte sich in nächster Zeit noch akzentuieren», sagt Mitteregger. Und hier setzt jetzt ein spannender Effekt ein: Sollten sich die Hersteller weiter vermehrt auf benzinbetriebene Fahrzeuge konzentrieren, könnte durch eine verstärkte Nachfrage nach dieselbetriebenen Fahrzeugen ein Vakuum entstehen und dadurch der Wert gebrauchter Diesel wieder steigen, erklärt Mitteregger.
 

Interview mit René Mitteregger, Datenspezialist Auto-i-dat 
«Der Händler soll sich schon jetzt mit alternativen Antrieben beschäftigen»
kro. Herr Mitteregger, warum sind die Automobilisten bei dieselbetriebenen Neufahrzeugen zurückhaltend, kaufen sie aber als Occasion wieder vermehrt? 
René Mitteregger: Ich bin nicht überzeugt, dass der Automobilist dem Diesel gegenüber tatsächlich immer noch zurückhaltend ist. Sicher hat die negative Presse bei vielen Autofahrern einen fahlen Nachgeschmack hinterlassen. Fakt ist aber auch, dass bei vielen Herstellern die Dieselmotoren aus dem Modellangebot gestrichen werden. Gerade im boomenden Segment der Kleinwagen und bei der unteren Mittelklasse werden inzwischen nur noch wenige Diesel angeboten. Bei den Gebrauchten ist das Angebot ungleich höher und viele Occasionsautokäufer entscheiden sich zurzeit auch aus rein praktischen Gesichtspunkten wieder für einen Diesel.

Manche Hersteller haben begonnen, das Angebot an Dieselfahrzeugen zu reduzieren. Es gibt sogar welche, die über einen generellen Ausstieg aus dieser Antriebsform nachdenken. Wie beurteilen Sie das?
Der Verzicht auf Dieselantriebe dürfte bei einigen Herstellern rein ökonomische Ziele haben. Die Neuentwicklung zweier oder gar dreier Antriebskonzepte mit Benzin, Hybrid und Elektro ist kostspielig. Noch ein viertes Antriebskonzept, den Diesel, zusätzlich weiterzuentwickeln, dürfte die Möglichkeiten einzelner Hersteller sprengen. Aus diesem Blickwinkel ergibt der Ausstieg aus dem Diesel Sinn. Kommt dazu: Bei verschiedenen Herstellern war der Absatz von Dieselfahrzeugen in der Vergangenheit selbst in Europa nicht wirklich gross, weltweit gar vernachlässigbar.
 
Alternative Antriebe spielen im Neuwagenmarkt nach wie vor eine geringe Rolle, obschon man den Eindruck hat, dass sich immer mehr Hersteller um dieses Segment kümmern. Warum entwickelt sich dieser Markt so langsam?
Es kümmert sich zurzeit beinahe jeder Hersteller um dieses Segment. Bis in die jüngere Vergangenheit hinein waren das nur sehr wenige. Viele Hersteller konnten höchstens ein bis zwei Modelle mit Hybrid- oder Elektroantrieb liefern. Das wird sich stark ändern. Beinahe alle Hersteller werden in Zukunft alternative Antriebe in verschiedenen Modellen anbieten. Dann wird auch der eher wählerische Autokäufer alternative Antriebe in seinem bevorzugten Modell bestellen können. Dies dürfte die Zahl neuer, mit alternativen Antrieben versehener Fahrzeuge schneller steigen lassen.
 
Im Occasionsmarkt spielen alternativ angetriebene Fahrzeuge nach wie vor nur eine sehr geringe Rolle. Die Auto-i-dat AG stellt auf Basis ihrer Marktdaten sogar fest, dass das Angebot an
gebrauchten Elektrofahrzeugen künstlich verknappt wird. Sind Occasionen mit alternativen Antrieben für den Händler kein gutes Geschäft?

Das kann man so nicht sagen. Einige Händler haben sich auf alternative Antriebe spezialisiert und machen damit gute Geschäfte. Es wird mit Sicherheit ein Umdenken stattfinden müssen. Der klassische Gebrauchtwagenhändler wird in Zukunft immer mehr mit alternativen Antriebssystemen konfrontiert werden und wird auch mit diesen umzugehen lernen. Insofern sollte man die aktuelle Situation als Chance sehen.
 
Welche Auswirkungen haben Ihre Erkenntnisse auf den Händler? Wie verhält er sich jetzt am besten? Worauf muss er in den nächsten Monaten besonders achten?
Für den Handel sehen wir uns als nüchterne Betrachter, die dem Händler die Grundlagen liefern, sich ein Bild über seinen Markt und darüber hinaus zu verschaffen. Bezogen auf den Handel mit Dieselfahrzeugen nach wie vor wichtig: Keine Panik! Alternative Antriebe werden wie Benzin- und Dieselantriebe ihr Einsatzgebiet finden. Sie werden aber gerade im Occasionshandel noch länger eine Nische bilden. Wir empfehlen den Händlern aber, sich bereits jetzt auch mit alternativen Antrieben zu beschäftigen.
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