«Gewinnen wird nur, wer sich integrieren kann»

«Gewinnen wird nur, wer sich integrieren kann»

Interview mit Dr. Detlef Mohr, Leiter Automotive bei McKinsey Deutschland.

1. November 2014 agvs-upsa.ch - Der stationäre Autohandel wird sich dem veränderten Kundenverhalten anpassen müssen. Zu diesem Schluss gelangt die weltweit renommierte Unternehmensberatung McKinsey auf Basis einer breit angelegten internationalen Studie. Im Interview mit AUTOINSIDE sagt Dr. Detlev Mohr, Director und Leiter Automotive bei McKinsey, was sich konkret ändern muss.


Dr. Detlef Mohr, Director bei McKinsey Deutschland und Leiter Automotive für die Märkte in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika.

Herr Dr. Mohr, der stationäre Autohändler wird ein zentrales Element im Kontakt mit Kunden bleiben. Das klingt vorerst einmal beruhigend…
Dr. Detlef Mohr:
Es wäre ein Trugschluss, daraus zu schließen, dass der stationäre Autohandel mit «business as usual» weitermachen kann und dass sich nichts ändern wird. Vielmehr sehen wir die klare Notwendigkeit zu einer umfassenden Transformation des Handels. Wer sich nicht verändert, wird im Vertriebssetup der Zukunft nicht mehr mitspielen. Der stationäre Händler – oder besser «physische Touchpoint» – der Zukunft muss ein anderer sein als der heute.

Am Schluss landen die Kunden immer beim Händler – aber der Weg dorthin wird sich stark verändern. Was bedeutet das für den Garagisten und Händler?
Für vier von fünf Kunden in Deutschland beginnt die Suche nach ihrem neuen Auto heutzutage bereits im Internet. Dabei spielen Suchmaschinen, Foren und Autoplattformen eine entscheidende Rolle bei der Informationssuche. Erstausrüster und Händler müssen sich auf diesem digitalen Spielfeld behaupten und darüber die Voraussetzung für eine persönliche Interaktion mit dem Kunden schaffen. Dabei muss sich der Handel auf verschiedenartige «Customer Journeys», also Kaufentscheidungsprozesse, einstellen, die möglichst gut verzahnt werden sollten. Allerdings wird auch in Zukunft der stationäre Handel in der finalen Entscheidungsphase den Ausschlag geben: durch die Möglichkeiten der Testfahrt und persönlichen Beratung.

Das Verhalten von Konsumenten in Europa und Amerika scheint sich nicht sonderlich voneinander zu unterscheiden. In Bezug auf China sieht das ganz anders aus. Was ist in China anders?
Chinesische Kunden benutzen signifikant mehr Kundenkontaktpunkte als Europäer oder Amerikaner. So nimmt in der Informationsphase der chinesische Käufer mehr als acht verschiedene Kontaktpunkte in Anspruch. Zum Vergleich: In Deutschland und den USA sind es im Durchschnitt 5.5 Kontaktpunkte. Auch ist in China ist die Bedeutung von Online-Kontaktpunkten noch ausgeprägter als in den anderen untersuchten Märkten. Während in China allein in der Informationsphase vier Online-Touchpoints genutzt werden, sind es in Deutschland nur halb so viele. Eine entscheidende Bedeutung haben vor allem soziale Netzwerke und Foren sowie Blogs für Kunden in China. Mehr als 60 Prozent der Käufer informieren sich vorab über Internet-Blogs und Foren, nahezu jeder zweite über soziale Online-Netzwerke.

Was können Schweizer Garagisten und Händler von der Entwicklung in China lernen?
Das Verhalten der Kunden in China kann als Indikator gesehen werden für das, was uns in Zukunft auch hier in Europa erwarten wird. Da in China viele Händler- und Vertriebsnetze von Grund auf neu entworfen wurden und nicht auf historisch gewachsenen Strukturen beruhen, spiegeln sie oft stärker die aktuellen und zukünftigen Anforderungen der Kunden wieder. Innovative Ideen wurden aufgrund der hohen Online- und Digital-Affinität in China oft bereits stärker als in Europa umgesetzt. Auch beim Kundendatenmanagement und der Schnittstelle zwischen Online und Offline sind chinesische Betriebe oft weiter als europäische. Hier können wir einiges von China lernen.

Ein bemerkenswerter Umstand ist ja, dass die persönliche Beratungskompetenz des Kundenberaters trotz der vorhandenen Informationsfülle im Internet stärker denn je gefragt ist…
Interessanterweise ist der Beratungsbedarf nach der Online-Informationssuche beim Autokauf höher als beim Kauf von Medikamenten. Das liegt daran, dass individuelle Ratschläge und Empfehlungen gebraucht werden und keine Informationsflut. Händler und Angestellte stellt das vor neue Anforderungen und fordert ein massives Umdenken, da in Zukunft Berater statt Verkäufer benötigt werden. Unsere Umfrage bestätigt das:  Produktkompetenz ist das am meisten nachgefragte Element beim Händlerbesuch. Für die Händler wird es daher notwendig, auch die Verkäufersteuerung und Incentivierung zu überdenken.

Was sind im Hinblick auf die künftige Entwicklung und auf Basis Ihrer Studie die wichtigsten Erkenntnisse für den Garagisten und Händler?
Die wichtigste Erkenntnis ist: Der stationäre Autohandel hat Zukunft, aber er muss sich verändern. Die Erwartungen des Kunden haben sich erhöht, ohne dass sich die Bereitschaft, dafür mehr zu zahlen, erhöht hätte. Dem müssen Händler mit differenzierteren Touchpoints wie Brandstores, Zentren für Testfahrten oder Pop-up-Stores begegnen. Gewinnen werden die Händler, die sich in dieses zukünftige Orchester des Automobilvertriebs am besten integrieren und die das nahtlose Zusammenspiel von Kontaktpunkten am besten beherrschen lernen.


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